Was läuft hier schief?
Weshalb sind Liberale plötzlich rechtsradikal?
Ein Meinungsbeitrag von Dr. Wolfgang Allehoff und Wolfgang Baumbast
Aktuell präsentiert die früher einmal liberale ZEIT mit viel medialem Getöse einen neuen politischen Selbsttest: „Gehören Sie zur politischen Mitte?“ Wer liberale Antworten gibt, für weniger Staat, Eigenverantwortung und Marktwirtschaft plädiert, wird im Ergebnis prompt als „rechtsradikal“ oder „ultrarechts“ abgestempelt – oft sogar jenseits der AfD verortet. FOCUS online-Chef-Korrespondent Uli Reitz machte sich darüber lustig, dass nach Auswertung seiner Antworten rechts neben ihm nur noch die Wand käme. Was läuft hier eigentlich schief?
Nullsummen-Weltbild: Die linke Brille des Tests
Der ZEIT-Test ist sinnbildlich für eine tiefe ideologische Verschiebung: Er spiegelt das typisch linke, kollektivistische Nullsummen-Weltbild wider, wonach Wohlstand eine fixe Größe sei, die nur umverteilt werden kann – nach dem beliebten Schema „Wer viel hat, muss geben, damit alle gleich sind“. Das Problem: Die moderne Wissenschaft hat dieses Denken seit Adam Smith, Ricardo und insbesondere mit den Systemforschungen der Wirtchaftsnobelpreisträger Acemoglu und Robinson widerlegt. Wohlstand entsteht nicht primär durch Umverteilung, sondern durch Innovation, Kooperation und bessere Institutionen – der Kuchen wächst, wenn man ihn wachsen lässt und ihn dabei unterstützt!
Das Nullsummenkonzept kommt aus der Spieltheorie. Es besagt, dass der Gewinn eines Teilnehmers immer genau dem Verlust eines oder mehrerer anderer Teilnehmer entspricht, sodass die Summe aller Gewinne und Verluste Null ergibt. Klassische Spiele wie Poker oder Schach sind Nullsummenspiele. Was ein Spieler gewinnt, verliert der andere, sodass die Netto-Summe für alle Teilnehmer Null ist. Auf die Gesellschaft übertragen heißt das: Es handelt sich um eine Umverteilung eines bestehenden Guts (z. B. Geld, Macht oder Territorium), nicht um die Schaffung neuen Mehrwerts. Das bedeutet im Klartext: Kooperation macht wenig oder gar keinen Sinn, da ein individueller Vorteil nur auf Kosten der oder des anderen erzielt werden kann.
Am Beispiel von Verhandlungen bedeutet das: Wenn eine Seite glaubt, dass sie nur gewinnen kann, wenn die andere verliert, dann spricht man vom Nullsummen-Denken. Dies führt dann meistens zu Verhandlungsergebnissen, die für alle schlechter sind, da die Möglichkeit einer für beide Seiten vorteilhaften Lösung nicht in Betracht gezogen wird. Diese – nicht in Betracht gezogene Positiv-Summenlösung – würde man Win-Win nennen. Es gibt also zwei Varianten eines Nicht-Nullsummenspiels: Das Positivsummenspiel, in dem beide Seiten gewinnen (Win-Win) und das Negativsummenspiel (Loose-Loose) in dem beide Seiten verlieren (z. b. kostspielige Rechtsstreitigkeiten oder kriegerische Auseinandersetzung).
Die linksgrünen Sozialisten sind meist (ob bewusst oder unbewusst) der Ansicht, dass sich sämtliche Ressourcen dieser Welt in einem einzigen großen Pool befinden, es sich also um einen einzigen großen Kuchen handelt, der nur gerecht umverteilt werden muss, um den wahren Sozialismus zu erreichen.
Es kommt nun darauf an, mit welcher Grundeinstellung man in Verhandlungen geht:
ob nationale Sozialisten, Öko-Sozialisten oder andere Sozialisten – sie huldigen dem Credo, dass sämtliche Ressourcen begrenzt sind. Ihr Verhandlungsziel ist die nach ihrer Überzeugung gerechte Umverteilung der begrenzten Ressourcen.
Wir Liberalen Senioren sind anderer Ansicht.
Die Ressourcen sind nicht begrenzt, sondern vom menschlichen Erfindungsgeist und seiner Kreativität abhängig
Es ist uns aber klar, dass um die Deutungshohehit der Erklärungsmuster massiv gestritten wird. Jeder Spieler versucht, so viele „Follower“ wie möglich auf seine Seite zu bringen. Wer die meisten hat, wird landläufig als politische Mitte betrachtet.
Der ZEIT-Test als Inquisitionsinstrument
Die Kennzeichnung bürgerlich-liberaler Positionen als „rechtsradikal“ ist der Versuch, einen neuen Konsens zu erzwingen – eine säkulare Inquisition, die die Freiheit des Denkens im Namen einer fragwürdigen „Gerechtigkeit“ opfert. Wer sich weigert, seine Haltung an die mittlerweile extrem nach links verschobene politische Mitte anzupassen, wird als „Ketzer“ aus dem Diskurs ausgeschlossen. Das Gegenteil von Links ist nicht Rechts, sondern Liberal. Liberale sind weder Nazis, noch Rechtsradikale. Liberale sind eine Art Häretiker, die sich weigern, sich der Nullsummen-Rhetorik anzuschließen. Die Geschichte lehrt, dass es stets solche Leute sind, die echten Fortschritt ermöglichen. Die ZEIT-Autoren wissen natürlich, dass solche Leute, die eine andere als die für richtig gehaltene Meinung vertreten, irgendwann Recht haben könnten. Das soll aber so lange wie möglich rausgezögert werden.
Fazit:
Wer heute liberal argumentiert, ist kein „Rechter“, sondern ein überzeugter Vertreter einer Debattenkultur gegen das Dogma eines gescheiterten Umverteilungssystems. Er verteidigt nicht nur seine Freiheit, sondern die Grundlagen einer offenen, produktiven Gesellschaft. Möge die ZEIT ihren Kompass neu justieren: Liberale sind die wahren Agenten des Fortschritts – und sie stehen nicht am rechten Rand an der Wand, sondern genau in der Mitte.
WHA / WB
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